Wie gefährlich ist eine Vollnarkose bei einem Kind?
In meiner Praxis führen wir pro Jahr über 1000 Vollnarkosen bei Kindern durch. Vor jeder Vollnarkose muss mit den Eltern ein Aufklärungsgespräch erfolgen, bei dem ganz besonders auf die Risiken eingegangen wird und die Frage beantwortet werden muss, wie gefährlich eine Vollnarkose bei einem Kind ist. Leider ist in Deutschland die juristische Situation so, dass man sehr umfassend über alle möglichen Komplikationen aufklären muss. Das bedeutet: Auch wenn es eigentlich nie vorkommt, muss erwähnt werden, dass eine Vollnarkose bei einem Kind rein theoretisch bis hin zum Tod führen KÖNNTE. Natürlich verursacht das schnell Angst bei den Eltern - oder wie würde es sich anfühlen, wenn vor jedem Start der Pilot eines Flugzeugs die Passagiere darüber aufklären müsste, dass man jederzeit abstürzen kann?
Aber es kommt im Gespräch sehr darauf an, diese theoretische Gefahr eines schweren Narkosezwischenfalles realistisch zu bewerten. Denn eine Analyse von über eine Million Narkosen hat bereits vor einiger Zeit gezeigt, dass nur etwa bei einer (1) von 140.000 Narkosen (1:140.000) eine relevante schwere Komplikation durch die Anästhesie zu erwarten ist. Oder umgekehrt: 139.999 von 140.000 Narkosen verlaufen ohne schweren Zwischenfall.
Kindernarkose gefährlich? Ein Zwischenfall alle 700 Jahre!
Solche Zahlen sind jedoch meistens sehr abstrakt und man kann sich wenig darunter vorstellen. Ich erkläre daher gerne folgendes Beispiel: Wenn man jeden Werktag eine Vollnarkose bei einem Patienten durchführen würde, wäre etwa alle 700 Jahre eine schwere Komplikation mit Tod oder schwersten Schädigungen zu erwarten. Oder anders gesagt: Seit Christi Geburt hätte es ganze 3 schwere Komplikationen gegeben - statistisch gesehen. Das bedeutet nichts anderes als dass Narkosen heute sehr, sehr sicher sind!
Oder anders gesagt: Schwere Narkosezwichenfälle sind wie Haifische - jeder hat Angst davor, aber gesehen hat sie eigentlich niemand.
Ich bin seit 20 Jahren Anästhesist, habe grob geschätzt 10.000-15.000 Narkosen durchgeführt und bisher keine solche Komplikation erlebt.
Andere unerwünschte Ereignisse sind häufiger
Neben diesen schwersten, schicksalhaften Komplikationen gibt es andere unerwünschte Ereignisse, die bei einer Narkose vorkommen können, hier eine kleine Aufzählung der häufigsten:
- Übelkeit (öfter, lässt sich meist gut behandeln)
- Benommenheit, Schwindel (öfter, geht von selbst zurück)
- Verwirrtheit nach dem Aufwachen (häufiger, in der Regel nach 30-60 Minuten vorbei)
- Heiserkeit (durch einen Beatmungsschlauch, häufiger für 1-3 Tage)
- Schleimhaut-Schäden im Mund (häufiger, heilt von selbst ab)
- Allergien mit Hauterscheinungen oder Juckreiz (selten)
- Schwerste allergisch Schockreaktionen (sehr selten)
- Hautinfektionen durch eine Infusionskanüle (sehr selten)
- Verletzung von Organen durch Injektionen (sehr selten)
- ....
Diese Liste lässt sich natürlich noch lange fortsetzen, man sollte jedoch auch hier die Kirche im Dorf lassen. Nach 20 Jahren Berufserfahrung kann ich sagen: anhaltende Nebenwirkungen nach einer Narkose sind extremst selten bis gar nicht vorkommend. In unserer westlichen Welt mit extrem gut ausgebildetem Personal und einer technischen Ausstattung auf dem höchsten Niveau kann man guten Gewissens sagen: Narkosen bei Kindern sind nicht gefährlich, sondern sicher!
